9 0 Ausgangssituation und Projektziel Bei der Verarbeitung von Krabben, Krebsen und Garnelen fallen große Mengen chitinhaltiger Schalenabfälle an. Welt- weit landen jährlich mehr als 6 Mio Tonnen dieser Krebstier- schalen auf dem Müll, davon schätzungsweise allein mehrere hunderttausend Tonnen innerhalb der EU [1]. Ein geringer Teil dieser biogenen Ressource wird bereits einer Nutzung zuge- führt und beispielsweise in Asien zur Herstellung von Chitosan verwendet, das für biomedizinische Applikationen oder als Nahrungsmittelzusatz zum Einsatz kommt [2]. Die Verwen- dung europäischer Schalen ist aufgrund höherer Kalkanteile weniger wirtschaftlich und eher selten. Eine fachgerechte Ent- sorgung der kontaminationsanfälligen Schalenabfälle ist aber aufgrund EU- und länderspezifischer Auflagen aufwendig und kostspielig. In dem von der EU geförderten Projekt ChiBio arbeitet ein in- ternationales Team von Forschern unter der Leitung der Fraun- hofer-Projektgruppe BioCat in Straubing an neuen Prozessen, um die in der EU anfallenden Schalenabfälle als Rohstoffquelle für Spezialchemikalien zu erschließen. Dabei verfolgt ChiBio den Ansatz einer Bioraffinerie, um den biogenen Reststoff ganzheitlich, das heißt stofflich und energetisch, zu nutzen. Stabilisierung der Schalen und Mobilisierung von Chitin In einem ersten Prozessschritt werden Methoden erarbeitet, um die Schalenabfälle vorzubehandeln und zu stabilisieren, und dadurch lagerstabil und transportfähig zu machen. Ein weiterer wichtiger Prozessschritt ist die Mobilisierung von Chi- tin, einem N-haltigen Biopolymer. ChiBio entwickelt unter Lei- tung des Letterkenny Institute of Technology Prozesslösungen zur schonenden Mobilisierung der Chitin-, Protein- und Lipid- fraktionen auf Basis nachhaltiger chemischer, mikrobiologi- scher und enzymatischer Methoden. Enzymatische Spaltung von Chitin Ein weiterer elementarer Prozessschritt ist die Spaltung des Chitins oder des durch Deacetylierung gewonnenen Chito- san in seine monomeren Zuckereinheiten N-Acetylglucosamin bzw. Glucosamin. Bisherige chemokatalytische Verfahren sind nicht sonderlich nachhaltig. ChiBio entwickelt deshalb bio- katalytische Aufschlussverfahren und verwendet dazu Chitin abbauende Enzyme aus prokaryotischen und eukaryotischen Organismen wie Trichoderma-, Aspergillus-, Bacillus- und Ae- romonas-Stämmen. Besonders nützlich ist hier die Expertise des norwegischen Partners Prof. Dr. Vincent Eijsink (UMB) im Umgang mit Enzymen aus der CBM33-Familie. Diese Enzyme erhöhen die Geschwindigkeiten des Chitinabbaus deutlich [3], müssen aber in einigen Fällen noch optimiert werden. Ergänzt werden diese Arbeiten durch eigene Chitinasen und auch Chitin-Deacetylasen am Fraunhofer IGB in Stuttgart [4]. Ge- genwärtig laufen intensive Arbeiten, um die Enzym-Cocktails ideal aufeinander abzustimmen und an industrielle Prozessbe- dingungen bzw. Produktionsverfahren im technischen Maß- stab anzupassen. CHEMIE CHIBIO – CHITIN AUS FISCHEREIABFÄLLEN ALS ROHSTOFF ZUR HERSTELLUNG VON SPEZIALCHEMIKALIEN Dr. rer. nat. Lars O. Wiemann, Prof. Dr. rer. nat. Volker Sieber 1