76 50 μm 50 μm BIOARTIFIZIELLER PROXIMALER TUBULUS Anke Hoppensack M. Sc., Dr.-Ing. Jan Hansmann Hintergrund und Herausforderung Die Niere übt eine Vielzahl lebenswichtiger Funktionen aus, wie die Bluthomöostase, die Blutdruckregulation und die Ent- fernung von endogenen und exogenen toxischen Abfallstof- fen aus dem Blut. Ein Ausfall der Nierenfunktion kann daher schwere, lebensbedrohliche Folgen haben. Aktuelle Standard- therapien beschränken sich auf die Dialyse und die Organ- transplantation. Die Verfügbarkeit von Spenderorganen ist jedoch stark limitiert und die Dialyse weist verschiedene Nach- teile auf [1]. So verliert der Körper z. B. wertvolle Substanzen wie Aminosäuren oder Glukose mit dem Filtrat, das bei der Dialyse entsteht und anschließend verworfen wird. Im Körper werden diese Substanzen zum großen Teil in einer Struktur, dem renalen proximalen Tubulus, nach der endogenen Filtrati- on zurückgewonnen. Die Komplexität dieser funktionellen Ein- heit kann bisher noch nicht von einem technischen Gerät ab- gebildet werden. Ein vielversprechender Ansatz basiert daher auf der Integration zellulärer Komponenten in ein extrakorpo- rales Filtersystem [2]. Unser Projektpartner, Advanced Technologies and Regenerati- ve Medicine (ATRM), LLC, a Johnson & Johnson company, hat Protokolle zur Isolierung einer proprietären hochproliferativen und funktionellen Zellquelle aus humanem Nierengewebe eta- bliert [3]. Unsere Arbeit bestand in der Entwicklung von Me- thoden für die nierenspezifische Kultivierung dieser human kidney-derived cells (hKDCs) sowie für deren Verwendung in einem bioartifiziellen proximalen Tubulus. Einfluss der Trägersubstrate In einem ersten Ansatz erfolgte die Kultivierung der hKDCs auf kommerziell erhältlichen synthetischen Membranen unter statischen Kulturbedingungen. In vivo sind Zellen jedoch einer Vielzahl biologischer und physikalischer Stimuli ausgesetzt. Diese zellspezifischen Bedingungen beeinflussen die Zelldiffe- renzierung und tragen zum Erhalt der zellulären Funktionen bei. Zur Imitation einer natürlichen Mikroumgebung kamen biologische Matrices zum Einsatz, welche eine komplexe mo- lekulare Zusammensetzung besitzen. Zellkulturexperimente unter statischen Bedingungen zeigten einen starken Einfluss der verwendeten Trägersubstrate auf die Eigenschaften der Zellen. So wuchsen hKDCs auf synthe- tischen Membranen in einer unnatürlichen mehrschichtigen Formation und wiesen eine flache Morphologie auf. Dahinge- gen unterstützte die biologische Matrix die Ausbildung eines einlagigen Epithels, welches spezifisch für den proximalen Tu- bulus ist (Abb. 1). Ableitung der Kulturbedingungen und mathematisches Modell für den Glukosetransport Die Kulturbedingungen wurden mittels eines Finite-Elemente- Modells aus der In-vivo-Situation abgeschätzt. Ferner erfolg- te die dynamische Kultur der Zell-Matrix-Konstrukte in einem spezifischen Bioreaktorsystem mit zwei Kompartimenten (Abb. 2). Zur Untersuchung des Glukosetransports wurde ein mathematisches Modell entwickelt, das sowohl den passiven als auch den aktiven Stofftransport beinhaltet (Abb. 3 und 4). Dabei wurde der Transport durch eine Zelle in Influx und Efflux unterschieden und die Barriere des Substrats berück- sichtigt. Weiterhin ist der Glukoseverbrauch durch die Zellen implementiert. Die Modellparameter für die Glukosediffusion, für den -verbrauch und den -transport ließen sich auf Basis experimenteller Daten berechnen. Dafür wurden hKDCs an PHARMAZIE 2 31