6 4 MEDIZIN HUMANES 3D-LUNGENTUMORMODELL David Fecher M. Sc. Lungentumore, eine schwer zu behandelnde Erkrankung Lungenkrebs ist die häufigste Tumorerkrankung weltweit und aufgrund seiner Heterogenität nur schwer zu therapieren. Deshalb sind Lungentumore die häufigste Todesursache aller Krebserkrankungen [1]. Ein realitätsnahes Modell, welches es ermöglicht, die Entstehung und Behandlung dieser Tumore besser zu untersuchen und zu verstehen, wird daher dringend benötigt. Die Testung von Substanzen für die Entwicklung von Medi- kamenten ist ein aufwendiger und vor allem kostenintensiver Prozess. Von 250 potenziellen Substanzen in präklinischen Tests ist schlussendlich nur eine kommerziell erhältlich [2]. Einer der Gründe hierfür ist das Fehlen eines geeigneten hu- manen Testsystems. In präklinischen Studien und der Grund- lagenforschung zu Tumorerkrankungen werden sowohl Zell- linien als auch Tiere, insbesondere immunsupprimierte Mäuse, verwendet. Die geringe Anzahl der letztendlich in der Praxis verwendbaren Substanzen zeigt jedoch, dass die Situation von humanen Tumoren mit beiden Systemen nur unzureichend dargestellt werden kann. Aufbau eines Lungen-Tumortestsystems In der Projektgruppe Onkologie wird die sogenannte SIS (Small Intestinal Submucosa), ein azelluläres Darmsegment, als Gerüst für die Tumormodelle verwendet. Dieses Kollagenge- rüst stellt ein Derivat der BioVaSc dar und kann statisch zwi- schen zwei Metallringe gespannt kultiviert werden [3]. Auf diese biologische Trägerstruktur werden Lungentumorzellli- nien mit unterschiedlichem genetischen Hintergrund aufge- bracht, um ein dreidimensionales humanes Tumormodell zu generieren. Differenziertes Modell für die Erprobung klinischer Therapiestrategien Mittels der dreidimensionalen Matrix entwickelt sich innerhalb von 14 Tagen statischer Kultur eine polarisierte Epithelschicht der Tumorzellen. Die Zellen weisen darin im Vergleich zur zweidimensionalen Kultur eine deutlich veränderte Expressi- on von tumorrelevanten Proteinen auf, welche den Zustand in vivo besser widerspiegeln. Für die Behandlung von Lungentumoren, die eine Mutation des EGF-Rezeptors (EGFR) aufweisen, wird in der Klinik u. a. Gefitinib, ein EGFR-Inhibitor, verwendet. Wendet man die Gefitinib-Behandlung auf die Tumorzelllinie mit einer akti- vierenden EGFR-Mutation in unserem Modell an, erhält man eine ähnliche Reaktion wie bei den Patienten. Die Proliferation der Tumorzellen wird gehemmt, während gleichzeitig mehr Tumorzellen durch Apoptose zugrunde gehen. Kokultur mit tumorassoziierten Zelltypen erhöht Komplexität des Modells Neben den Tumorzellen weist der Tumor in vivo zudem nicht- tumoröse Zellen sowie Bindegewebe auf, welche als Tumor- stroma bezeichnet werden. Tumorassoziierte Fibroblasten sind ein Hauptbestandteil des Tumorstromas und spielen eine be- deutende Rolle bei der Tumorentwicklung und -progression. Um diese Komplexität auch im In-vitro-Tumormodell widerzu- spiegeln, wurden Kokulturen der Tumorzelllinien mit tumor- assoziierten Fibroblasten, welche aus Biopsien von Lungen- tumorpatienten gewonnen wurden, etabliert. So kann der Einfluss dieser Fibroblasten sowie ihr Potenzial als Angriffs- punkt neuer Medikamente untersucht werden. 1 2 3