68 Prozessentwicklung zur Herstellung von »Arzneimitteln für neuartige Therapien« (ATMPs) Die Fortschritte in der Weiterentwicklung und die breitere Anwendung von neuartigen Zelltherapien, des Tissue Engi- neerings und der regenerativen Medizin haben in den letzten Jahren zu einer Erweiterung des Arzneimittelbegriffs und den damit verbundenen gesetzlichen Regularien geführt. Zellen oder Gewebe, die zur Behandlung im Menschen eingesetzt werden, wurden deshalb in einer neuen Produktgruppe und EU-Verordnung (EG Nr. 1394/2007) zusammengefasst: den Arzneimitteln für neuartige Therapien oder auch Advanced Therapies Medicinal Products (ATMP). Die GMP-Einheit des Fraunhofer IGB entwickelt und validiert neue, teils komplexe Herstellungsprozesse für innovative Zell- therapien und Tissue-Engineering-Produkte, um die behördli- che Genehmigung zur Herstellung von klinischem Prüfmateri- al zu erlangen sowie die Partner mit ausreichendem Material dieser ATMPs für eine erste Anwendung im Patienten zu ver- sorgen. Bioartifizielles Rekonstruktionsgewebe für die Luftröhrenchirurgie Ziel dieses BMBF-Projekts ist die Entwicklung eines Herstel- lungsprozesses und die klinische Testung eines neuartigen Implantats für die Rekonstruktion seltener Atemwegsdefekte. Das Implantat besteht aus einer vaskularisierten porcinen Trä- gerstruktur (BioVaSc, Biological Vascularized Scaffold) und pa- tienteneigenen (autologen) Zellen. Für die Entwicklung eines GMP-Prozesses wurde zunächst die Herstellungsmethode der BioVaSc optimiert. Um die Pro- duktqualität zu gewährleisten, insbesondere die virale Sicher- heit des tierischen Ausgangsmaterials, wurden geeignete Me- thoden zur Analyse der Zell-, DNA- und Endotoxin-Freiheit etabliert. Zur Besiedlung der BioVaSc mit autologen Fibroblas- ten und Endothel- sowie Muskelzellen haben wir GMP-kon- forme Protokolle erarbeitet. Hierbei werden die Zellen nach ei- ner vierwöchigen Wachstumsphase in die Matrix der BioVaSc eingebracht. Die mikrovaskulären Endothelzellen besiedeln die vaskulären Strukturen, wohingegen die Fibroblasten und Skelettmuskelzellen im Darmlumen der BioVaSc wachsen. Die anschließende zweiwöchige Reifung des Gewebes findet in einem speziell entwickelten Bioreaktorsystem statt, welches die Kultur und besonders die Reifung der Blutgefäße unter angenäherten physiologischen Bedingungen erlaubt. Nach Er- teilung der Herstellerlaubnis für solche Implantate durch die zuständige Behörde sollen diese in einer klinischen Phase-I- Studie getestet werden. Insulinproduzierende Zellen zur Therapie von Typ-1- Diabetes Für die US-Firma Orgenesis entwickelt das Fraunhofer IGB ei- nen GMP-konformen Prozess zur Herstellung insulinproduzie- render Zellen aus patienteneigenen Leberzellen. Bevor diese Zellen in einer ersten klinischen Studie als Therapeutikum für Typ-1-Diabetes getestet werden können, muss der Herstel- lungsprozess basierend auf den behördlichen Regularien für ATMPs standardisiert und das Zelltransplantat reproduzierbar hergestellt werden. MEDIZIN INNOVATIVE ZELL- UND GEWEBETHERAPIEN AUF DEM WEG IN DIE KLINISCHE ANWENDUNG Dr. rer. nat. Martin Funk, Dipl.-Biol. (t. o.) Iris Dally 1 2