GESUNDHEIT 1 MIKROPHYSIOLOGISCHE ORGAN-ON-A-CHIP- SYSTEME ALS ALTERNATIVEN ZUM TIERVERSUCH Julia Rogal, Chris topher P robs t, Silvia Kolbus- H ernandez, Peter Loskill Einschränkungen der Wirkstofftestung Heutige Verfahren zur Entwicklung von Arzneimitteln zeich- nen sich durch extrem hohe Kosten und einen immensen Zeit- aufwand aus. Einer der Hauptgründe für die Inefizienz der Verfahren ist, dass experimentelle In-vivo-Tests in Menschen nicht tragbare Risiken besitzen und daher aufwendige Tierver- suche und Versuche mit Zelllinien notwendig sind. Tiermodelle und Zelllinien spielen nicht nur in der Pharmafor- schung, sondern auch in der Kosmetik- und Chemieindustrie sowie in der akademischen Grundlagenforschung eine tragen- de Rolle. Allerdings sind selbst hochentwickelte Tiermodelle nicht in der Lage, den komplexen menschlichen Körper und speziell menschliche Krankheiten nachzubilden. Darüber hin- aus sind sie ethisch fragwürdig. Immortalisierte Zelllinien andererseits sind in vielen Fällen entweder nicht menschlichen Ursprungs oder stammen ur- sprünglich aus Krebsgewebe und werden klassischerweise als 2D-Monokulturen kultiviert. Die tatsächliche physiologische Nähe dieser Kulturen zu menschlichem Gewebe ist dadurch sehr beschränkt. Daher ist es nicht überraschend, dass Re- sultate, die aus Versuchen mit Zelllinien sowie Tierversuchen gewonnen werden, häuig nicht oder nur eingeschränkt auf den Menschen extrapoliert werden können. von klassischerweise verwendeten Tiermodellen zu überwin- den. Dies führte zu einem Paradigmenwechsel in der Entwick- lung personalisierter und krankheitsspeziischer Modellsyste- me. Speziell das Prinzip von Organ-on-a-Chip-Systemen hat sich in den letzten Jahren von einer konzeptionellen Idee hin zu einer möglichen Alternative für Tiermodelle entwickelt. Das Potenzial der Systeme ist inzwischen von Wissenschaft, der betroffenen Industrie sowie staatlichen Behörden allgemein anerkannt. Organ-on-a-Chip-Systeme kombinieren die Alleinstellungs- merkmale der klassischen Zell-Assays (menschliche Gene) und der Tiermodelle (3D-Gewebe und Blutkreislauf). Sie ermöglichen es, die Notwendigkeit von Tierversuchen nach den Vorgaben des 3R-Prinzips (Replace, Reduce, Reine) zu reduzieren. Weiterhin verbessern sie die Übertragbarkeit der vorklinischen Resultate auf die klinischen Phasen und machen somit die gesamte Entwicklung kostengünstiger, sicherer und schneller. Grundbausteine eines Organ-on-a-Chip In der Attract-Gruppe Organ-on-a-Chip werden unterschied- liche mikrophysiologische Organ-on-a-Chip-Systeme, auch mikrophysiologische Systeme (MPS) genannt, entwickelt, die auf minimaler Grundläche eine In-vivo-Struktur und Funktio- nalität der jeweiligen Organgewebe aufweisen. Menschliche In-vitro-Modelle statt Tierversuche und Zelllinien Die Entdeckung humaner induziert-pluripotenter Stammzellen (hiPS-Zellen) eröffnete die Möglichkeit, viele Einschränkungen Die primäre Komponente dieser Systeme ist die mikrophy- siologische Umgebung. Dazu werden Technologien der Mikrostrukturtechnik, der Materialwissenschaften und der 6 4