2 Kläranlagen: Abwasser reinigen und Energie gewinnen Die in den Industrieländern typischen zentralen Kläranlagen gehören zu den größten kommunalen Energieverbrauchern. Seit über 20 Jahren arbeitet das Fraunhofer IGB daran, auch kleinere Kläranlagen durch eine Umstellung von der aeroben Schlammstabilisierung auf eine effizientere und flexible anaerobe Hochlastfaulung zugleich zu Energieerzeugern zu machen. »Wenn Klärschlamm, der vor allem aus organischen Kohlenstoffverbindungen besteht, unter Luftausschluss mit einem effizienten Hochlastverfahren in Faultürmen behan- delt wird, wandeln ihn anaerobe Bakterien – über Säuren und Alkohole – zu beachtlichen Mengen Biogas um, einem Gemisch aus Kohlenstoffdioxid und Methan«, erläutert Dr. Marius Mohr, der am Fraunhofer IGB die Gruppe »Bioverfah- renstechnik in der Wasser- und Kreislaufwirtschaft« leitet. In Blockheizkraftwerken liefert Biogas Strom und Wärme, die den Nettoenergieverbrauch der Kläranlage deutlich reduzieren oder in manchen Fällen sogar mehr als kompensieren. In Brasilien dagegen, wo wenig zusätzliche Wärme benötigt wird, bietet sich an, Biogas im Mobilitätssektor zu verwerten. Viele Fahrzeuge sind hier werkseitig mit einem Tetrafuel- Motor ausgestattet, der neben Benzin und Ethanol auch mit komprimiertem Erdgas (Methan) betrieben werden kann. Die Fahrzeuge müssen dazu nur mit einem zusätzlichen Tank ausgerüstet werden. Das auf der Kläranlage der Stadt Franca im Bundesstaat São Paulo erzeugte Biogas wird daher nach einem vom IGB entwickelten Konzept aufbereitet und kann als Biomethan getankt werden (siehe S. 74). In beiden Fällen profitieren nicht nur die Betreiber der Kläranlage, sondern auch das Klima, da fossile Energieträger eingespart werden. Den Ansatz, durch die Vergärung organischer Substanz Energie in Form von Biogas zu gewinnen, hat das Fraunhofer IGB vor rund 10 Jahren auch auf die an organischer Fracht reichen kommunalen Abwässer übertragen. »Im Projekt DEUS 21 haben wir erfolgreich demonstrieren können, dass die organischen Inhaltsstoffe im Abwasser Biogas liefern, wenn sie semi-dezentral in anaeroben Bioreaktoren behandelt werden«, so Mohr. Je höher dabei die organischen Inhaltsstof- fe konzentriert sind, desto effizienter kann das Biogas gebildet werden. Daher werden bestenfalls auch im Haushalt anfallen- de Bioabfälle mit dem Abwasser »entsorgt«. Nachhaltige Städte: Bioabfall liefert Energie zum Kochen, Abwasser Nährstoffe für die Landwirtschaft Genau diesen Ansatz hat das Fraunhofer IGB zusammen mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in dem Projekt »Der urbane Nexus« aufgegriffen. »Für zehn ausgewählte asiatische Städte, in denen die Entwicklung einer geeigneten Abwasserinfrastruktur mit dem Wachstum der Bevölkerung nicht mithalten konnte, haben wir Konzepte für ein integriertes Ressourcenmanagement erarbeitet«, erklärt Mohr. Ein Beispiel ist die Stadt Da Nang in Vietnam, an dessen Küstenstreifen etwa 200 000 Menschen leben, deren Abwas- ser momentan noch ungenutzt in Gruben versickert. Nach Mohrs Konzept werden die Abwässer der Haushalte über ein Vakuumsystem abgeleitet. Nahe gelegene Hotels entsorgen ihre Küchenabfälle ebenfalls über diese Leitungen, um den Gehalt an organischen Kohlenstoffverbindungen zu erhöhen. Sie landen, zusammen mit den Abwässern, in einem Tank, der einen Bioreaktor speist. Abgeschlossen von Luft vergären die Bakterien die organische Fracht zu Biogas, das wiederum in den Hotels und Haushalten die Gasflammen in der Küche nährt. Das gereinigte Wasser wird (außer in der Re- genzeit) zur Bewässerung der intensiv betriebenen städtischen Landwirtschaft genutzt. Damit werden Grundwasserreserven geschont und die Gefahr, dass das Grundwasser durch nach- fließendes Meerwasser versalzt, gemindert. Da das im anaero- ben Bioreaktor gereinigte Abwasser noch reichlich Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff enthält, werden die Pflanzen auf dem Feld gleichzeitig gedüngt. Die Landwirte können auf den Einsatz weiterer Dünger verzichten. 6 9